Ronsdorfer Vereine, Organisationen und Parteien hatten auf den Bandwirkerplatz eingeladen. Anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus sprachen Pfarrerin Ruth Knebel und Günter Urspruch über das Schicksal jüdischer Ronsdorfer in der NS-Zeit, heutige Proteste gegen Rechtsextremismus und mehr.
„Wofür stehen wir? Wer sind wir? Wer wollen wir sein?“
Ruth Knebel, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde, erinnerte an die ca. 6 Millionen Juden, die im Holocaust getötet wurden: „Und ich bin entsetzt, unter welchen Ängsten jüdische Menschen heute wieder bei uns leben müssen, ja nicht erst seit dem 7. Oktober, seitdem aber noch weit mehr.“
Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung nannte sie ein „schleichendes Gift, das sich tröpfchenweise durchsetzt“, solange man es nur oft genug unwidersprochen stehen lasse. „Wir haben viel zu lange nicht laut widersprochen“, meinte sie. Wann Diskriminierung und Demütigung zur Vernichtung werden, sei kein plötzlicher Sprung und kein einzelnes Ereignis, sondern viele „kleine Schritte“.
Sie rief daher dazu auf, im Alltag nicht zu schweigen, wenn über andere gelästert wird, weil sie anders sind, aussehen, leben, glauben, lieben oder andere Wurzeln haben. Die Fragen „Wofür stehen wir? Wer sind wir? Wer wollen wir sein?“ beantwortete Ruth Knebel mit den Worten von Margot Friedländer, einer deutschen Überlebenden des Holocausts: „Wir sind alle gleich. Es gibt kein christliches, muslimisches, jüdisches Blut. Es gibt nur ein menschliches Blut. Ihr habt alle dasselbe. Seid doch Menschen.“
„Wachsam sein und aus unserer Geschichte lernen“
Günter Urspruch beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Ronsdorfer Geschichte und hat dazu unter anderem Zeitzeugen befragt. Seine Stimme hallte über den Bandwirkerplatz, als er seine emotionale Ansprache eröffnete: „In diesen Tagen, wo überall in Deutschland die schweigende Mehrheit auf die Straße geht, Flagge bekennt und die braune Soße am rechten Rand in ihre Schranken verweist – da wo sie hingehören – diese Geschichtsverfälscher, denen jedes Mittel recht ist. Schön, dass heute Mittag so viele auch hier zum Ronsdorfer Markt gekommen sind.“
Er blickte zurück auf die Zeit der 1920er bis 1940er Jahre, in der sich die „braune Soße“, in Deutschland breit gemacht hatte: „Fast alle haben Adolf Hitler und den Nationalsozialismus unterschätzt – auch hier bei uns in Ronsdorf. Man hat gesagt, das ist bald vorbei. Und als dann überall in Europa, später auch in der Welt, Mord und Zerstörung sich breit gemacht haben, war es zu spät.“
Urspruch erinnerte an die Geschichten jüdischer Ronsdorfer. Adolf Löwenthal, Kriegsfreiwilliger im 1. Weltkrieg und seine Schwester Frieda Bär (geb. Löwenthal) hatten Deutschland zur NS-Zeit verlassen und versucht, ihren Vater Moses zu überzeugen, ebenfalls zu emigrieren. Moses Löwenthal habe nach den Erzählungen von einem Nachbarn, Fritz Lukas, gesagt: „Ich bin ein Ronsdorfer Patriot, ich bleibe hier. Mir passiert nichts“, wie Günter Urspruch berichtete. 1940 wurde Löwenthal aber festgenommen und 1942 zusammen mit seiner Tochter Selma im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Bei allem Schrecken, die die Opfer der NS-Zeit erlebt haben, appellierte Günter Urspruch: „Aber hüten wir uns davor, ihr Opfer, ihr Leiden und die Zeit des Nationalsozialismus mit unserer Zeit zu vergleichen. Damit werden wir den Opfern nicht gerecht! Wir müssen wachsam sein und aus unserer Geschichte lernen!“
Von Moritz Körschgen